Lehrreiche Stunden

Nachdem wir nun wochenlang über Essen geredet haben, gibt es heute mal ein paar wissenswerte Dinge über das Schulsystem hier in Irland. Das ist nämlich doch recht unterschiedlich von meinem gewohnten System in Deutschland. Angefangen mit Kindergarten und Vorschule.

Meine kleinste Gastschwester ist diesen Schulanfang in die Pre-school oder Playschool (Vorschule) gekommen. Diese startet für die Kleinen mit dreieinhalb bis vier Jahren. Generell geht es um spielerisches Lernen. Zahlen, Farben, Buchstaben, Formen und an manchen irischen Schulen beginnen sie ebenso mit der irischen Sprache. Zum Beispiel singen sie irische Kinderlieder. Nach circa zwei Jahren in der Playschool kommen die Schulkinder mit vier, spätestens fünf Jahren, in die  Primary school (Grundschule). Schon hier wird zwischen religiösen, irisch lehrenden, gemischten oder getrennten Mädchen- oder Jungenschulen entschieden. Die nächsten 8 Jahre gehen die Kinder in die Primary School. Das erste und zweite Jahr gehören sie zu den Junior Infants und dann zu den Senior Infants, danach folgen Jahr 1-6. Es wird als Ziel der Primary school gesehen, dass Kinder ermutigt werden neue Dinge mit Spaß zu lernen, dass sie sich völlig frei in ihrem Potential entfalten können und, dass sie sich verschiedene nützliche Lernweisen und Skills aneignen, die sie im weiteren Schulleben brauchen. Im ersten Jahr lernen sie das Schreiben von Buchstaben und Zahlen. Im nächsten Jahr, bei den Senior Infants, geht es dann an das Lesen von einfachen Sätzen. Insgesamt haben sie in den nächsten Jahren folgende Fächer: die Sprachen Englisch und Irisch, Mathematik, ein Fach, dass man mit unserem Sach- und Erdkundeunterricht vergleichen kann, künstlerische Erziehung in Music, Kunst und Theater, Sport, Religion oder Ethik und ein Fach indem es um soziale, persönliche und psychische Gesundheit geht namens SPHE. Mit dem, was ich in meinem Gasthaus so mitbekomme, liegt der Schwerpunkt vor allem auf dem Schreiben und Lesen von Englisch und Irisch. Sprachen sind auch die Fächer in denen die Mädels die meisten Hausaufgaben haben.

Nachdem die Primary school abgeschlossen ist gehen die 10 bis 11-jährigen dann auf eine Secondary school (Gymnasium). Hier absolvieren sie zuerst drei Jahre den Junior Cycle (Junior Zyklus) an dessen Ende das Junior Certificate (Realschulabschluss) steht, mit dem sie nicht an Universitäten zugelassen sind, aber die Schule verlassen können um eine Ausbildung zu beginnen. Nun haben sie ähnliche Fächer wie wir in Deutschland. Mathe, Englisch, Irisch, wahlweise eine andere Fremdsprache, Sport, Musik, Kunst, Religion oder Ethik, Geografie, Geschichte, Biologie, Chemie, Physik, weiterhin SPHE und Home economics (eine Mischung aus Ernährungswissenschaften, theoretisch und praktisch, und Haushaltsführung). Der Lehrplan für den Junior Cycle sieht neun bis elf Fächer vor, davon sind mindestens 6 Pflicht- und drei Wahlfächer.
Das Notensystem im Junior Cycle geht von A (1,0 - sehr gut), B (1,3-2,0 - gut), C (2,3-3,3 - befriedigend), D (3,3-3,7 - ausreichend), E (3,7-4.0 - mangelhaft) bis F (5,0 - ungenügend).

Mit 15-16 können Schüler entscheiden ob sie ein sogenanntes Transition Year (Brückenjahr) machen wollen oder nicht. In diesem Jahr wird einem die Möglichkeit geboten in die Fächer hinein zu schnuppern, die man vielleicht für seinen Senior Cycle und damit für sein Leaving Certificate (Abitur) belegen möchte. Vor allem wird aber auch Wert auf soziale Kompetenz und persönliche Entwicklung, sowie praktische Erfahrung gelegt. Deswegen werden viele Praktika und Projektarbeiten absolviert, es werden Ausflüge und sonstige Aktivitäten organisiert, viele Schulen studieren jedes Jahr mit dem Transition Year ein Musical ein und präsentieren es im Frühjahr des nächsten Jahres um Geld für bsw. eine Abschlussfahrt zu sammeln. Das Besondere an diesem Jahr ist, dass die Noten überhaupt keine Rolle für irgendein Zeugnis spielen. Somit ist das ganze Jahr ohne großen Schuldruck und mit sehr wenigen Hausaufgaben gesegnet.

Doch dafür ist der Schulstress dann für die nächsten zwei Jahre umso höher, denn nun arbeitet alles auf die möglichst besten Ergebnisse im Leaving Certificate hin. Am Anfang des fünften Jahres (11. Klasse) wählen alle Schüler vier Fächer, die sie gerne belegen möchten. Zusätzlich haben sie Mathe, Englisch und Irisch und müssen sich in diesen drei Fächern zwischen höherem (Higher Level) und normalem (Ordinary Level) Schwierigkeitslevel entscheiden. Außerdem haben alle Schüler zwei Stunden Sport, SPHE, Religion und Guidance, ein Beratungsfach.
Auch das Notensystem hat sich geändert. Insgesamt kann man 625 Punkte erreichen. Deine erreichte Punktzahl bestimmt zu welchen Studiengängen du an der Uni zugelassen bist und ähnlich wie mit den Durchschnitten in Deutschland bekommen die höheren Punktzahlen auch die ersten Plätze. Je nachdem ob man das höhere oder das normale Level gewählt hat sind die Punktzahlen festgelegt. Um es einfacher zu machen, habe ich euch eine Tabelle eingefügt. Man kann maximal 100% in einem Test erreichen. Deine Prozentzahl bestimmt deine Note (H1-H8, wobei man bis H6 bestanden hat oder O1-O7, wobei man bis O6 bestanden hat.) und deine Note wiederum bestimmt deine Punktzahl. Ich weiß, es ist nur ein bisschen kompliziert...

(http://www.98fm.com/content/000/images/000116/119475_60_news_hub_multi_630x0.JPG)


Der nächste interessante Punkt sind die Tests. Man schreibt zwar das ganze Jahr über Tests, aber abgesehen von den großen Examen vor Weihnachten und im Sommer, vor den Sommerferien, fließt keine deiner Noten in irgendein Zeugnis ein. Diese Noten dienen dazu deinen Wissenstand zu überwachen, damit du weißt, was du noch einmal wiederholen musst, und gegebenenfalls deine Eltern zu informieren, wo du Defizite hast.

Nun zu mir. Ich besuche während meines Aufenthaltes das fünfte Jahr und damit den Unterricht in Higher Level Englisch, Higher Level Mathe, allerdings bin ich freigestellt von Irisch. Meine Wahlfächer sind Französisch, Chemie, Music und Home economics.

Higher Level Englisch



In Higher Level Englisch wurde ich zuerst mit dem kürzesten und vermutlich befremdlichsten Shakespearestück konfrontiert: Macbeth. Im Unterricht haben wir das ganze Skript gelesen und als Hausaufgabe gab es meistens Fragen zu den verschiedenen Charakteren oder an den Wochenenden einen großen Aufsatz. Der Unterricht wird manchmal durch kleine Videos auf Youtube ergänzt, wenn wir uns eine besonders wichtige Szene anschauen sollen um sie richtig zu erleben. Ich mag den Englischlehrer er hat eine ziemlich lustige Art und ist voller Leidenschaft dabei, was uns Mädels manchmal alle zum Lachen bringt, weil er so fasziniert von Macbeth und Shakespeare ist. Wir werden im Unterricht noch zwei weitere Bücher lesen. Einmal "Doll House" und einmal "Foster" von Claire Keegan. Außerdem stand auf meiner Schulbuchliste ein dickes Buch mit Gedichten. Im Grunde ist der Schulstoff also ähnlich, wie das was wir in Deutschland machen.


 Französisch



Ich habe ja in Deutschland schon drei Jahre Französisch hinter mir und habe dadurch zumindest ein paar Kenntnisse in dieser melodischen Sprache. Allerdings kann ich sie weder sprechen noch richtig schreiben, weswegen ich mir nicht sicher war, ob ich Französisch hier belegen kann. Wie sich herausgestellt habe waren alle Sorgen unbegründet. Auch die Mädels in meiner Klasse sind noch nicht allzu weit in Französisch und wir haben eigentlich nur Wiederholung in der Grammatik und Aufbau von Vokabular, was mir sehr zugute kommt, denn so bleibt vielleicht etwas mehr hängen, als die letzten drei Jahre. Die Lehrerin spricht meistens Französisch im Unterricht und wiederholt viele ihrer Sätze dann in Englisch. Der Unterricht ist eigentlich ganz angenehm und wir machen viel für Hör- und Textverständnis.


 Higher Level Mathematik



Mathe ist sehr interessant. Ich weiß auch nicht, ich habe Mathe nie gehasst, aber es war auch nicht mein Lieblingsfach. Unser Matheunterricht besteht aus Hausaufgabenkontrolle, manchmal nehmen ein neues Thema durch und dann bekommen wir umgerechnet circa eine halbe Stunde Hausaufgaben für zu Hause um die neu gelernten Dinge anzuwenden und zu üben. Teilweise bringen wir uns Mathe also zu Hause selbst bei. Ich habe das Gefühl, dass die Lösungstechniken manchmal sehr aufwendig sind und von einigen Dingen habe ich noch nie etwas gehört, aber es ist nicht total schwer sondern machbar, wenn man, wie unsere Lehrerin immer betont, einfach die Dinge anwendet, dann gehen sie einem ins Blut über. Zu Zeit sind unsere Themen Algebra I,II und III und wir erweitern, faktorisieren oder suchen Variablen.



Musik


Musik ist eines der schönsten Fächer, vor allem, wenn wir singen. Da ich hier auf eine katholische Schule gehe, haben wir im Schuljahr Messen in der Schulkapelle, die gesanglicher Begleitung brauchen und das übernehmen meistens die unterschiedlichen Musikklassen an der Schule. Ich habe meine erste Messe schon erlebt und gesungen und es macht richtig viel Spaß. Die irischen Lieder sind einfach zu schön. Der zweite Teil des Musikunterrichts ist die Musikgeschichte und Begriffe, die wichtig sind. Auch das ist ziemlich interessant. Zurzeit beschäftigen wir uns mit Musikepochen und deren Komponisten. Es ist immer wieder witzig, wenn es um deutsche Komponisten und deren Aussprache geht, zum Beispiel Johann Sebastian Bach. Das "ch" in Bach wird von den Iren wie ein k gesprochen. Für mich klingt es ziemlich befremdlich und komisch. Der dritte und letzte Teil ist dann die Musiktheorie. Da habe ich, sowohl im Deutschen, als auch im Englischen meine Schwierigkeiten, vor allem auch, weil mir einfach noch das Vokabular fehlt. Wir werden sehen ob sich das bessert.


 Chemie



Chemie ist teilweise ganz anders als in Deutschland. Ich denke einfacher und nicht ganz so mathematisch. Unser erstes Thema zum Beispiel war die Geschichte der Entdeckung des Atoms. Das einzige was ich für den Test wissen musste waren verschiedene Wissenschaftler und deren Beisteuerungen zur Erforschung des Atoms, also nur Informationen in Textform ähnlich wie in Geschichte. Die nächsten Themen haben teilweise wissenschaftliche Formeln enthalten und zur Zeit geht es um chemische Bindungen. Ich komme erstaunlich gut mit und auch die Sprache ist kaum ein Problem.


 Home economics




Home economics ist hier mein Lieblingsfach. Es geht um Ernährung, etwas was mich auch außerhalb der Schule sehr interessiert. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was in einer gesunden Ernährung alles enthalten ist, welche Krankheiten auftreten können, wenn wir uns falsch ernähren und was Kohlenhydrate, Vitamine und Co. eigentlich sind und wofür wir sie brauchen. Dann erstellen wir Menus und Tagespläne für verschieden Menschen mit unterschiedlichen Ansprüchen, wie zum Beispiel einer Person, die an Eisenmangel leidet. Außerdem werden wir vier Mal etwas kochen und alles genau dokumentieren, weil das in das Leaving Certificate der Mädels mit einfließt. Auf dem Plan steht ein vegetarisches Gericht, ein normales Gericht, ein Soufflé und eine Marmelade, dabei geht es nicht nur ums Kochen selbst sondern besonders bei Soufflé und Marmelade auch um Technik.


Außerdem haben wir noch Sport, wo wir mit Boxen angefangen haben und nun für eine Zeit ins benachbarte Fitnessstudio gehen, wo ein Sportkurs für uns reserviert ist oder wir uns die Zeit im Studio selbst vertreiben können. Sport wird hier nicht bewerten, aber ich hab viel Spaß bei neuen Sportarten.
Dann habe ich noch Religion, was auch in Ordnung ist, auch wenn ich nicht gläubig bin. Wir beschäftigen uns eigentlich mit allgemeinen Fragen der Menschheit nur eben immer mit Bezug zu Gott. Ich fühle mich nicht in die Religion gezwungen und wenn, dann muss ich die Aufgaben nicht machen.
Auch im Senior Zyklus haben wir SPHE. Dieses Fach ist meiner Meinung nach schwierig zu erklären. Wir sprechen allerdings über persönliche und menschliche Themen. Es geht um soziales Beziehungen, Selbstvertrauen, Sexualität und um das Thema, wie wir uns selbst beschützen oder was unsere inneren Werte und Grenzen sind. Ich bin gespannt, wie sich meine Beziehung zu diesem Fach entwickelt, denn am Anfang war es erstmal anders, da wir in Deutschland in der Schule nur mit unserer besten Freundin oder unserem Kumpel über all diese Dinge reden, wenn überhaupt.
Und das letzte Fach ist Guidance, meiner Meinung nach ein sehr sinnvolles Fach, denn es wird vom Beratungslehrer unterrichtet und man erfährt viele Dinge über eine Bewerbung an der Uni oder über spezielle Tests, die man schreiben muss, wenn man zum Beispiel Medizin im Vereinigten Königreich studieren möchte. Ich persönlich finde es sehr interessant und hilfreich.

Zum Schluss noch etwas zum Schuljahr generell. Das Schuljahr besteht aus 3 Semestern und hat Anfang September begonnen. Zu Halloween haben wir eine Woche Mid-Term Break, ähnlich unseren Herbstferien. Vor Weihnachten schreiben wir die ersten großen Examen, dann folgen zwei Wochen Weihnachtsferien. Danach beginnt das zweite Semester mit einer Woche Mid-Term Break im Februar (Winterferien). Dieses Semester dauert bis Ostern und nach zwei Wochen Osterferien beginnt das dritte Semester, wo wir die Endjahresexamen schreiben und am 1. Juni endet für mich das Schuljahr. Insgesamt haben die Iren also weniger Schule als wir und lange drei Monate Sommerferien. Ich persönlich finde das System in Deutschland aber besser.

Nun ich hoffe ich konnte euch genug Informationen (Vielleicht etwas viel?) zum Schulsystem und zu meinen Fächern in der Schule bieten. Viele Grüße aus Irland!

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